Ein Knast für die Wohlhabenden
Die erste Station ist direkt am Markt unter dem alten Rathaus. Kurioserweise geht es nicht hinab, sondern ein paar Stufen hinauf. Um 1270 erbaut, verfügte das Gebäude schon damals über eine Fußbodenheizung. „Hier wurde Feuer gemacht“, sagt Gästeführer Holger Kotzam und zeigt in eine steinerne Nische, wo ein Haufen Steine lagern. „Am Abend der Ratssitzungen wurden diese Steine mittels Feuer erhitzt. Die gespeicherte Wärme stieg dann durch diese Löcher nach oben in die Alte Dornze, wo die Ratsherren tagten.“ Die Decke im Gewölbe ist noch immer rußgeschwärzt. Doch lange sei die mittelalterliche Fußbodenheizung nicht in Betrieb gewesen. Nur 40 Jahre später wurde eine neue Dornze – ein Tagungsraum – gebaut, diesmal mit Kamin. Der alte Gewölbekeller diente danach lange Jahre als Verließ für sündige Bürger. „Es war das bessere Gefängnis für die besser gestellte Gesellschaft der Stadt“, erklärt Holger Kotzam. „Das einfache Volk hingegen musste in die feuchten Verließe unter den Wachtürmen der Stadt.“ Unterm Rathaus sei es wenigstens trocken gewesen.

Gefängnisgraffiti aus dem Mittelalter
Schon damals verewigten sich die Häftlinge im Stein. So ist an einer Stelle eine Inschrift von 1586 geritzt. Heinrich Prien musste hier mehrere Wochen ausharren, weil er zunächst etwas mit einer wohlhabenden Witwe und später auch mit der 14-jährigen Tochter hatte. Um nach damaligem Rechtsverständnis die „Ehre“ des Mädchens wieder herzustellen, musste er das Kind später zur Frau nehmen. Wie das Mädchen das alles fand und ob sie der Vermählung auch unter anderen Umständen zugestimmt hätte, ist nicht überliefert. Prien jedenfalls war nicht nur einmal „Gast“ im alten Gewölbekeller: „Später ist er noch mal hier gelandet“, so der Gästeführer. „Da soll er seinen ehelichen Pflichten nicht zur Genüge nachgekommen sein.“

Wieder zurück ins Tageslicht geht es über den Marktplatz zur Bronzestatue von Georg Lichtenberg. Der Physiker, Philosoph und Schriftsteller lebte von 1742 bis 1799 in Göttingen und hielt im Keller seines Hauses regelmäßig Vorlesungen ab. „Er war bei den Studenten sehr beliebt, da er nicht wie üblich monotone Vorträge hielt, sondern Experimente machte. Damit war er der erste, der die experimentelle Physik in den Vorlesungen einführte“, so der Gästeführer. Diesmal geht es wirklich mehrere Treppen hinunter. Beeindruckend ist die Gewölbedecke, die dem ansonsten leeren Raum etwas Mystisches verleiht. Der Hausbrunnen einen Raum weiter war im 16. Jahrhundert ein Luxus: So musste man nicht für frisches Wasser weit laufen, sondern hatte eine Quelle direkt im Haus.

Einst Latrine, heute Schatztruhe für Archäologen
Der nächste unterirdische Raum hat es in sich: Feigenkerne, ein hölzerner Buchdeckel, eine lederne Messerscheide und jede Menge Tonscherben. Was die Mönche des ehemaligen Paulinerklosters außer ihrer Notdurft noch so alles in ihrer Latrine versenkten, sind heute wertvolle Zeitzeugen. „Die Archäologen fanden hier jede Menge Dinge, die viel über das Leben und die Ernährung der Menschen im Mittelalter verraten“, so Holger Kotzam. Die Grube im Kellergeschoss der baulichen Gründungszelle der Georg August Universität ist etwa zwei Mal zwei Meter groß und ebenso tief. Viel ist hier nicht mehr zu sehen. Ihre Geschichte, wie sie entdeckt wurde und wer die Grube zu leeren hatte, ist aber um so interessanter. Das und noch vieles mehr erzählen Holger Kotzam und seine Kolleginnen und Kollegen bei der Führung „Geheimnisse alter Gewölbekeller“.