Bild: Julia Steinberg-Böthig
Ausflugstipp

Mit dem Salzewer auf historischer Fahrt

Ein Schwarm Tauben fliegt vom Platz des alten Kranes in Lüneburg auf. Sie setzen sich auf den Giebel des alten Kaufhauses und gurren empört vor sich hin. Jens-Peter Fiedler steht in Leinenhosen, weißem Hemd und Strickweste auf dem Salzewer. „Klar zum Ablegen“, ruft er. Und das mittelalterliche Schiff schiebt sich am Stintmarkt vorbei durch den Hafen der Hansestadt.

Touristen auf einer Brücke knipsen eifrig mit ihren Kameras. Das ist aber auch so ziemlich das einzige, das die Passagiere an Bord der „De Sulte“ daran erinnert, dass sie sich im 21. Jahrhundert befinden.
Die Mannschaft um Jens-Peter Fiedler trägt allesamt Kleidung wie aus dem Mittelalter. Joachim „Jogi“ Hausen sitzt auf einem Fass, seine Hände rahmen die Gürtelschnalle ein. Gedankenverloren zeichnet er mit seinem Daumen die Buchstaben der Stadtmarke „Mons, Pons, Fons“ nach. Ernst Bögershausen nestelt in seinem Lederbeutel, und Steuermann Gerry Whiton rückt sein Samtbarett zurecht.
Das Original Schiff ist von 1650 und wurde – wie der Name verrät – genutzt, um das Salz von Lüneburg über Ilmenau und Elbe in den Hamburger Hafen zu bringen. „Rund zwanzig Tonnen konnte der Ewer transportieren. Im Winter mehr, im Sommer weniger, je nach Wasserspiegel“, erklärt Jens-Peter, der das Kommando auf dem Schiff hat. Auf der Rückfahrt brachte der Ewer Getreide in die Salzstadt.

Ein Originalnachbau vom Nagel bis zur Holzbohle

„De Sulte“ wurde von 2007 bis 2009 nachgebaut. In einem Sozialprojekt zur Jugendpflege wurde Teenagern alte Handwerkskunst beigebracht. Jeder Nagel wurde von ihnen geschmiedet, jedes Brett nach alter Tradition gehobelt. Der große Unterschied zum Ewer von 1650 ist die Motorisierung. Gerry ist der Mann an der Maschine und schaltet den Motor einen Gang runter. Das Schiff treibt langsam und ruhig die Ilmenau entlang. „Achtung Baum!“ Rechtzeitig ducken sich alle auf dem Schiff, um nicht von den Ästen ins Wasser geschubst zu werden. Steuermann Jogi lenkt das Schiff ans Ufer. Hier liegt die kleine Schwester „Solten Deern“ an Land. Der sogenannte Prahm wurde für den Stecknitz-Kanal bei Lauenburg gebaut. Jogi springt an Land und holt eine lange Starke. Ernst nimmt sie entgegen und hilft seinem Kameraden wieder an Bord. Taue werden gelöst, und Ernst nutzt den langen Stock, um den Salzewer wieder auf die Wasserstraße zu bringen.

Mit Muskelkraft entlang des Treidelpfades

Bild: Anika Werner

Kurze Zeit später gleitet der Salzewer leise tuckernd die Ilmenau entlang. Am Ufer sitzen Menschen auf Bänken und beobachten, wie das Schiff vorbeifährt. Radfahrer gönnen sich eine Pause, steigen ab und winken der Crew. Das Schiff fährt vorbei an Feldern, Wiesen und noch einige Mal muss Gerry seine Mannschaft vor Bäumen und Ästen warnen, bis sie schließlich die Schleuse in Bardowick erreichen. Hier machen sie fest, um den Mast zu stellen. Alle packen mit an, ziehen und zerren, entwirren die Taue, nutzen die Hebelwirkung des sogenannten Jüttbaums, bis schließlich der Mast steht. Ganz oben am Mast hängt das lange Treidelseil. Gerry und Ernst bleiben auf dem Schiff, während Jens-Peter und Jogi mit den anderen Passagieren das Treideln an Land übernehmen. Dazu nehmen sie das Schiff an die Leine und ziehen es flussaufwärts. Mit jeder Menge Muskelkraft arbeiten sie gegen die Strömung an. Alle ächzen und ziehen und stapfen mühsam den Treidelweg entlang. Der eine legt das Seil über die Schulter, ein anderer versucht es im Rückwärtsgang. Nach 500 Metern fragt jemand: „Ist es eigentlich noch weit?“ Jens-Peter: „Na, bis nach Lüneburg halt.“ Auf dem Hinweg mit der Strömung brauchte das motorisierte Schiff rund zwei Stunden, bis es in Bardowick ankam. Ja, es ist noch weit. Aber Jens-Peter erbarmt sich und lässt das Schiff an einer flachen Stelle am Ufer anhalten, damit alle Passagiere wieder an Bord gehen können. Nun um eine Erfahrung reicher, wie vor rund 500 Jahren die kostbare Fracht von Lüneburg in die Welt kam.
Gerry wirft den Motor an und „De Sulte“ fährt mit Motorkraft zurück in den Lüneburger Hafen.

Feste Termine für Ewerfahrten

Offene Fahrten werden am Freitag, 19. Mai um 15:30 Uhr, Dienstag. 30. Mai um 15:30 Uhr, Freitag, 9. Juni um 11:00 Uhr und Mittwoch, 21. Juni um15:30 Uhr angeboten.
Die VHS Lüneburg bietet Fahrten am Sonntag, 25. Juni um 10:00 Uhr und am Freitag, 26. Mai um 16:00 Uhr an.

Weitere Infos findest du hier:

So kommst du hin:

Vom Bahnhof aus gehst du vorbei am Alten Kran über den Stintmarkt in Richtung Warburg. Hier startet deine Fahrt mit dem Salzewer. Zu Fuß brauchst du etwa fünf Miunten.
RE2, RE3, RB31
Lüneburg

Anika Werner vom metronom

Anika genießt das Landleben in Radbruch. Am liebsten erkundet sie mit ihrer Familie und den Hunden Dexter und Didi die Natur oder bestaunt auf Städtetrips Architektur und Geschichte.

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