Bild: Anika Werner
Ausflugstipp

Wo Bücher zu Kunstwerken werden

In der kleinen, feinen Werkstatt in Bardowick klacken und rappeln Maschinen, die älter als 100 Jahre sind. Mit ihrem Handwerk bewahren Sabine und Friedemann Rost das immaterielle Kulturerbe des Buchbinders. Sie retten alte Schmöker, bin-den individuelle Stücke für besondere Anlässe und fertigen kunsthandwerkliche Bucheinbände. Und wer mag, bindet unter Anleitung sein eigenes Werk.

Liebevoll streicht Sabine über die Materialien, die vor ihr auf dem Tisch auf die Verarbeitung warten. Jeder Arbeitsplatz ist gleich ausgestattet. Vor mir liegen ein Block Papier, ein paar Pappen und Schnipsel und in einem Organizer (natürlich aus Pappe) finde ich eine Schere, Falz, Nadel, Ahle, Pinsel und Stift. In zwei kleinen Tiegeln ist Buchbinderleim.

Sabine erklärt die Beschaffenheit des Papiers: „Papier hat immer eine Laufrichtung. Wenn ihr genau hinseht, erkennt ihr sie an den feinen Strichen. Außerdem hat jedes Blatt eine Vorder- und Rückseite. Schaut es euch einmal genau an.“ Ich entdecke feine Linien in der Horizontalen und alle paar Zentimeter geht vertikal ein Strich hinunter. Ich reibe das Blatt zwischen Daumen und Zeigefinger. Die eine Seite fühlt sich etwas glatter an. Der Duft von frischem Papier steigt mir in die Nase. Für mich riechen Papier und Bücher einfach immer nach Abenteuer, nach Geschichten und Neugier. Aber dieses Seiten in meiner Hand sind noch unbeschrieben und ich bin gespannt, womit ich sie füllen werde, sobald ein Buch daraus geworden ist.

Eine Werkstatt im Schatten des Bardowicker Doms

Sabine Rost hat schon immer gern gebastelt. Als es um die Berufsfindung ging, machte sie verschiedene Praktika in ihrem Heimatort Hamburg mit unterschiedlichen Materialien. Sie war in einer Tischlerei, beim Raumausstatter, in einer Metallwerkstatt – und bei einem Buchbinder. Und hier wurde ihr klar: „Das ist meine Berufung.“
In der Meisterschule lernte sie Friedemann kennen. Er wohnte damals in Nordrhein-Westfalen. Nach einer Weile Fernbeziehung und Pendeln, bot sich die Gelegenheit: Ein Buchbinder verkaufte seine alten Maschinen. Ein paar Monate später wurde der Traum des Paares wahr und 2009 eröffneten sie ihre eigene Werkstatt an der Domstraße in Bardowick.
Kurz darauf fing Sabine an, Kurse anzubieten. Etwa einmal im Monat besuchen sie vier bis fünf Teilnehmer und gehen nach einigen gemütlichen Stunden mit Ordnern, Leporellos, Etuis oder Notizbüchern und jeder Menge Inspiration wieder nach Hause.

Neue Bücher und alte Schätze

Im Alltag werden in der Werkstatt häufig alte Schätze repariert. Sabine sagt: „Manchmal ist es eher der persönliche Wert des Buches. So kam eine Dame mit einem alten Kochbuch zu mir. Sie erzählte, dass ihre Oma schon nach diesen Rezepten gekocht hat. Es war ihr viel wert, dieses Buch zu retten. Oft hatten wir wertvolle Bücher hier liegen wie Bibeln, die über 200 Jahre alt waren. Aber auch Schüler und Studenten kommen, um ihre Hausarbeiten binden zu lassen. Hochzeitspaare wünschen sich individuelle Gästebücher oder Fotoalben und ganz groß im Trend sind Bücher, um Erinnerungen einzukleben.“ Angebot und Nachfrage sind so breit gefächert, dass jeder Tag in der Werkstatt anders ist. Und für noch mehr Abwechslung sorgen die Kurse, die Sabine etwa einmal im Monat anbietet.

Mein Weg als Buchbinderin

Ich habe inzwischen gefalzt, geklebt, geheftet, genäht, dazu den Buchbinderknoten und wichtige Begriffe gelernt. Nun darf ich mir ein Design für den Einschlag aussuchen und diesen beziehen. Gar nicht mal so einfach bei der Auswahl an Farben, Mustern und Papierarten. Doch irgendwann ist mein Buch soweit für „das Einhängen“, wie der Buchbinder es nennt: Der geheftete Buchblock wird in die Einbanddecke gelegt und mit Leim eingeklebt. Nun wird das Buch gepresst und muss im Anschluss zwei Tage trocknen.

Ich werde es als Journal nutzen, um Gedanken, Erfahrungen und kreative Ideen zu Papier zu bringen.

Weitere Infos findest du hier:

So kommst du hin:

Die Buchbinderei findest du in der Nähe des Doms, den du vom Bahnhof aus sehen kannst.
RE3, RB31
Bardowick

Anika Werner vom metronom

Anika genießt das Landleben in Radbruch. Am liebsten erkundet sie mit ihrer Familie und den Hunden Dexter und Didi die Natur oder bestaunt auf Städtetrips Architektur und Geschichte.

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