Einträchtig wehen die Fahnen von St. Pauli und HSV im Wind, der frisch von der Elbe herüber weht. Auf den rustikalen Holztischen draußen stehen Töpfe mit Heide und Tagetes. Jeverkisten dienen als Hocker, in den Strandkörben liegen Decken für die „Frostbüdel“ unter den Gästen. Das Bier schmeckt einigen frühen Besuchern auch schon um 11 Uhr mittags. Nebenan sitzt eine Familie im Strandkorb, die von Kellnerin Marisa mit Ingwertee und Kakao versorgt wird. Wirtin Ulla Müller, in Jeans, schwarzem Kapuzenpulli und abgewetzter Lederjacke, bittet noch einen Moment um Geduld. Die Jukebox macht zicken, der Techniker ist da, doch gleich hat sie Zeit für mich. Und dann lässt sich die zierliche Frau neben mich auf den Sitz plumpsen, seufzt einmal tief und lächelt mich an. „So, jetzt können wir schnacken.“
Früher Warteraum, heute Kneipe
Wann genau sie den Schellfischposten von ihren Eltern übernommen hat? „1987 ist mein Vater gestorben. Meine Mutter wollte die Kneipe nicht weiter führen. War auch ’ne raue Zeit. Damals war das hier die Stammkneipe der Seemänner aus dem Containerhafen“, erinnert sie sich. Nach langem Überlegen entschied sich die Familie gegen den Verkauf. „Mein Mann sagte nur, das können wir nicht machen. Naja, was sollte er auch anderes sagen? Er ist mit Leib und Seele Seemann. Viele seiner Freunde und Kollegen gingen hier ein und aus“, Ulla zuckt fast entschuldigend mit den schmalen Schultern. „Doch wir konnten die Kneipe nicht führen. Mein Mann arbeitete Vollzeit ich hatte meinen Job als Zahnarzthelferin und unsere Tochter war 11 Jahre alt.“ So habe man die Kneipe verpachtet. An eine schon damals langjährige Mitarbeiterin. „Doch die war bald selbst ihr bester Gast.“

Der Schellfischposten existiert bereits seit mehr als einhundert Jahren. Damals wurde der Fisch mit der sogenannten Schellfischbahn vom Fischmarkt zum Altonaer Bahnhof transportiert. Die Fischarbeiter fuhren mit der elektrischen Eisenbahn zur Arbeit und wieder nach Hause. Die Haltestelle am Fischmarkt nannte sich Schellfischposten. Der heutige Schankraum war damals das Wartezimmer für die Passagiere. In der Kneipe gibt es nur vier Tische und den Tresen. Maximal 30 Sitzplätze auf wenigen Quadratmetern.
Seit 15 Jahren Drehort für „Inas Nacht“
Anfang der 90er Jahre übernahm die Familie dann doch das Lokal. „Wir hatten fast rund um die Uhr geöffnet. Sonntags gab’s Frühstück für die Fischmarktbesucher. Eine echte Herausforderung, da wir eigentlich gar keine Küche haben“, so Ulla. Die 71-Jährige nippt an ihrem Wasser. „Und irgendwann stand dann Ina Müller bei mir in der Kneipe. Sie suchte für ihr neues Format ein Lokal, in dem ein Shanty-Chor durchs Fenster singt. Ich dachte, okay, warum nicht? Für eine Sendung mag das ja ganz witzig sein. Eine Woche später kam sie dann mit ihrem Produzenten und einem Techniker. Die schauten sich hier um, und sagen, nein auf keinen Fall. Das ist hier viel zu eng.“ Ulla lacht. Offenbar konnte sich Ina Müller aber durchsetzen. Denn nur wenige Wochen später wurde der Schellfischposten zum Drehort für die erste Folge von „Inas Nacht“. „Das war schon aufregend“, so Ulla. Aus allen Wolken fiel sie dann nur kurze Zeit später, als klar wurde, dass der Schellfischposten viermal im Jahr Drehort für die jährlichen zwölf Sendungen sein sollte. „Das war vor 15 Jahren, wir hatten im Juli gerade Jubiläum.“

Handschlag und Klönschnack mit Inas Gästen
Ulla steht bei den Sendungen selbst hinterm Tresen und zapft das Bier für Inas Gäste. „Das gab es wirklich interessante Leute, auch welche die ganz schön arrogant waren. In besonders guter Erinnerung sind ihr Jürgen von der Lippe, Dunja Hayali und Désirée Nosbusch geblieben. Letztere begrüßte zuerst die Hausherrin Ulla mit Handschlag, bevor sie Gastgeberin Ina Müller für die Einladung dankte. „Wir haben uns total angeregt unterhalten, das ging so weit, das Ina schon mit uns schimpfte, weil die Gäste so abgelenkt waren“, erzählt Ulla lachend.
Während der Dreharbeiten bleibt der Schellfischposten gut eine Woche geschlossen. „Ein Tag wird hier alles abgebaut, dann kommt das Drehteam und baut die Technik auf, dann werden an drei Tagen drei Sendungen aufgenommen. Zum Schluss brauchen wir wieder einen Tag, um alles abzubauen und den Normalzustand wieder herzustellen“, berichtet Ulla Müller. „Ganz schön viel Aufwand, aber die Drehtermine stehen für das gesamte Jahr fest, so dass wir uns gut darauf einstellen können.“
Die Wände im Schellfischposten zeugen von den vielen Begegnungen. Dicht an dicht reihen sich Fotos von Stars und Sternchen, zum Teil mit liebevollen Widmungen. Aus der Jukebox trällert Vicky Leandros, der Kasten scheint wieder zu funktionieren. Ulla Müller – übrigens die Namensgleichheit ist reiner Zufall – muss jetzt auch los. Ihre Enkelkinder müssen von der Schule abgeholt werden. Steht sie selbst denn sonst gar nicht mehr hinterm Tresen? „Nee, nur noch sonntags, wenn wir hier ohnehin unserem Stammtisch haben und wenn’s brennt. Ansonsten überlass ich den Tresen meinen Mädels.“